Bald ist es soweit: Anfang Juni wird ein neues Europäisches Parlament gewählt. Dabei geht es auch für Immobilieneigentümer um eine wichtige Weichenstellung. Haus & Grund ist über den Europäischen Dachverband UIPI in Brüssel aktiv. Die Generalsekretärin der UIPI hat uns jetzt im Gespräch einen Einblick gegeben in den Einfluss der EU auf das Immobilienrecht.
Berlin. Die nächsten Europawahlen finden in Deutschland am Sonntag, den 9. Juni 2024, statt. Auf europäischer Ebene vertritt die UIPI (International Union of Property Owners) die Interessen von Immobilieneigentümern. Im Interview erklärt Emmanuelle Causse, Generalsekretärin der UIPI, welche Themen die vergangene Legislaturperiode geprägt haben und welche künftig eine Rolle spielen werden. Außerdem wagt sie einen Ausblick auf die künftige Zusammensetzung des EU-Parlaments und erläutert, welche weitreichenden Entscheidungen für jeden einzelnen Immobilieneigentümer in der EU getroffen werden.
Haus & Grund: Mit welchen für Eigentümer relevanten Themen wird sich die UIPI in der nächsten Legislaturperiode beschäftigen?
Emmanuelle Causse: Natürlich hängt viel von der neuen Zusammensetzung der Europäischen Kommission ab und welche Themenprioritäten diese setzen wird. Es zeichnet sich aber bereits jetzt ab, dass wir uns in der nächsten Legislaturperiode mit dem Thema Asbest beschäftigen werden. Hier werden wir uns zum Beispiel dafür einsetzen, dass es keine Sanierungspflicht für Asbest gibt und eine Einkapselung möglich sein sollte, wenn keine Risiken bestehen. Auch die Themen Wärmepumpen und Wasserresilienz beziehungsweise -effizienz könnten uns beschäftigen. Außerdem wird uns der sogenannte Green Deal auch die gesamte nächste Legislaturperiode bis 2029 und noch weit darüber hinaus beschäftigen. Dabei handelt es sich um ein Großpaket politischer Initiativen, mit dem die EU einen grünen Wandel vollziehen soll, um schließlich ihr Ziel zu erreichen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Ein Teil dieses Green Deals ist die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD), die uns in dieser Legislaturperiode viel Kraft und Nerven gekostet hat – aber bei der wir auch viele Erfolge erzielen konnten.
Haus & Grund: Welche Erfolge waren das?
Emmanuelle Causse: Die endgültige Fassung hat seit dem Vorschlag der Europäischen Kommission und dem noch ehrgeizigeren Standpunkt des Europäischen Parlaments enorme Fortschritte gemacht. Die finale Version näherte sich dem Standpunkt des Rates an, der die Mitgliedstaaten vertritt. Das war ein Schritt in die richtige Richtung, wenn man bedenkt, dass die nationalen Ebenen für die Umsetzung und Durchführung der Neufassung zuständig sein werden. Vor allem bei den sogenannten Minimum Energy Performance Standards, kurz MEPS (Artikel 9), hat die UIPI viele Erfolge erzielt. Bei diesen Mindestnormen für die Energieeffizienz handelt es sich um Vorschriften, nach denen weniger energieeffiziente Bestandsgebäude in einem bestimmten Zeitraum eine Anforderung an die Gesamtenergieeffizienz erfüllen müssen, also in anderen Worten energetisch saniert werden müssen.
In dem sehr langwierigen Verhandlungsprozess haben wir erreicht, dass die MEPS nun ein freiwilliges Instrument sind, das die Mitgliedstaaten anwenden können, um die Ziele im Wohnungssektor zu erreichen. Das bedeutet: Entgegen den ursprünglichen Plänen der EU-Kommission gibt es keine verpflichtenden Mindestenergiestandards für Wohngebäude mehr. Auch besteht kein Sanierungszwang mehr für einzelne Gebäude. Vielmehr wird nun der gesamte Gebäudebestand betrachtet, der allgemeine Reduktionsziele erfüllen muss: Bis 2030 soll der durchschnittliche Primärenergieverbrauch von Wohngebäuden im Vergleich zum Jahr 2020 um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent sinken. Im Endeffekt waren diese Flexibilisierungen das Hauptziel der UIPI, und wir haben – im Rahmen der Möglichkeiten – das bestmögliche Ergebnis erreicht.
Haus & Grund: Wie geht es nun mit der EPBD weiter?
Emmanuelle Causse: Auf europäischer Ebene ist der Gesetzgebungsprozess seit April beendet. Nun ist es an den Mitgliedstaaten, die Direktive in nationales Recht umzusetzen. Die Frist für die Umsetzung beträgt 24 Monate nach Inkrafttreten. Die Mitgliedstaaten müssen nun nationale Renovierungsfahrpläne im Einklang mit den Reduktionszielen für 2030 und 2040 erarbeiten – bis schließlich im Jahr 2050 der Gebäudebestand emissionsfrei sein soll. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass mindestens 55 Prozent der Senkung des durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs durch die Renovierung von Wohngebäuden mit der schlechtesten energetischen Leistung erreicht werden.
Haus & Grund: Zurück zu den bevorstehenden Wahlen: Lässt sich schon ein Trend erkennen, wie sich die Zusammensetzung des Europäischen Parlamentes ändern wird?
Emmanuelle Causse: Prognosen sind natürlich schwierig, aber derzeit sieht es so aus, dass die Grünen (The Greens/EFA) etwas verlieren, die Konservativen (EPP – European People’s Party Group) weiterhin stark bleiben und die Sozialisten (S&D – Socialists & Democrats) ebenfalls leichte Verluste haben könnten. Außerdem rechnen wir damit, dass es einen Rechtsruck geben wird. Die rechten Parteien sind im Europäischen Parlament in der ECR (European Conservatives and Reformists) und der rechtsextremen ID-Partei (IPD, Identity and Democracy) vertreten, mit der es stets schwierig war, umzugehen. Wenn der politische Wille da ist, mehr für den Klimaschutz im Gebäudesektor zu regeln, müssen auch Kostenbelastungen und soziale Härten beachtet werden. Die Partei, die sich in der Vergangenheit neben Klimaschutz und Wirtschaftsinteressen auch offen für die Sorgen und Nöte der privaten Eigentümer gezeigt hat, ist die EPP. Auch die FDP-Abgeordneten im Europaparlament, die Teil der Renew-Europe-Fraktion sind, haben die mit dem Kommissionentwurf verbundene Kostenbelastung für private Eigentümer im Blick behalten und um flexiblere Regelungen gerungen.
Haus & Grund: Die Europawahl genießt bei Weitem nicht die Aufmerksamkeit einer Bundestagswahl. Warum ist es dennoch wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger ihre demokratischen Rechte wahrnehmen und an den Europawahlen teilnehmen, um die Zukunft der EU mitzugestalten?
Emmanuelle Causse: Die EU-Wahlen 2024 sind ein entscheidender Schritt für alle europäischen Bürgerinnen und Bürger – auch für Immobilieneigentümer. In den nächsten fünf Jahren werden politische Maßnahmen und Gesetze, die Verbraucher, Immobilien und Wohnraum in ganz Europa stark betreffen, von den Vertretern entschieden, die Anfang Juni gewählt werden. Auch wenn es nicht direkt in die Zuständigkeit der Union fällt, sind der Wohnungsbau und die Transformation des Gebäudebestands ein grundlegendes Querschnittsthema, das viele verschiedene EU-Politikbereiche tangiert.
Das Europäische Parlament ist nicht nur eine der wichtigsten europäischen Institutionen, es ist auch die einzige, deren Vertreter direkt von den Wählern in allen Mitgliedstaaten gewählt werden, um die Interessen der Menschen in Bezug auf die EU-Rechtsetzung zu vertreten. Das EU-Parlament fungiert als Mitgesetzgeber und teilt sich mit dem Rat die Befugnis, Legislativvorschläge anzunehmen und zu ändern sowie über den EU-Haushalt zu entscheiden. Viele Menschen unterschätzen immer noch, welchen Einfluss Europa auf unser tägliches Leben hat – und das ist ein Fehler. Wenn die Dinge einmal in Brüssel entschieden sind, können sie auf nationaler Ebene nicht mehr geändert werden.
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