Trafen sich im Landtag zum Meinungsaustausch (v.l.): Ellen Stock (SPD), Erik Uwe Amaya, Jochen Ott (SPD), Konrad Adenauer, Dr. Johann Werner Fliescher
Haus & Grund Rheinland Westfalen traf sich in der Landeshauptstadt mit dem neuen Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion Jochen Ott und der Vorsitzenden des Landtags-Bauauschusses, Ellen Stock (SPD). Die Spitzenvertreter des Verbands und die Sozialdemokraten diskutierten die drängendsten Fragen der Wohnungs- und Baupolitik in Nordrhein-Westfalen.
Haus & Grund: Am 23. Mai ist die SPD 160 Jahre alt geworden. Am gleichen Tag sind Sie zum neuen Vorsitzenden der SPD-Landtagfraktion gewählt worden. Herr Ott, wie waren die ersten Monate für Sie?
Jochen Ott: Wie im Zeitraffer. Ich kann gar nicht glauben, dass das jetzt schon ein halbes Jahr her ist. Seitdem sind wir als neues Führungsteam der Fraktion in einem Dauerlauf – die Aufgaben für die Sozialdemokratie in NRW sind groß. Der Ministerpräsident kümmert sich ja um so gut wie nichts.
Haus & Grund: Wie stehen Sie zum privaten Wohneigentum?
Ott: Positiv. Ein eigenes Zuhause, das ist auch Teil des Aufstiegsversprechens, für das die SPD seit 160 Jahren kämpft. Ich habe ja auch selber privates Wohneigentum. Und ich finde, dass es Freiheit und Sicherheit gibt. Dafür haben meine Frau und ich vor vielen Jahren eine Hypothek auf unser Haus aufgenommen. Ich könnte das auch „Schulden“ nennen, weil das Beispiel zeigt, dass Schulden nicht per se etwas Schlechtes sind, sondern eine Investition in die Zukunft. Zur Wahrheit gehört aber auch: Immer weniger Menschen können sich privates Wohneigentum noch leisten. Von der Angespanntheit auf dem Mietwohnungsmarkt ganz zu schweigen. Es mangelt fast überall an bezahlbarem Wohnraum.
Haus & Grund: Seit Jahren steigen die Baukosten und die Grundstückspreise. Nun sind innerhalb kurzer Zeit auch noch die Zinsen gestiegen. Für viele Menschen ist der Erwerb von Wohneigentum nicht erschwinglich. Wie können die Rahmenbedingungen verbessert werden, Wohneigentum zu bilden?
Ellen Stock: Die Rahmenbedingungen sind schwierig, sie dürfen für die Landesregierung aber keine Ausrede sein. Die Zuständigkeit für den Wohnungsbau liegt bei den Ländern. Der Bund kann sie nur mit Finanzmitteln unterstützen und das tut er im Zeitraum 2022 bis 2027 mit insgesamt 18,15 Milliarden Euro. Was wir in NRW brauchen, ist mehr Schub und Fortschritt in der Wohnungsbaupolitik. Dazu haben wir erst kürzlich einen umfangreichen Antrag in den Landtag eingebracht. Die Förderpolitik des Landes muss mehr Anreize schaffen und mehr Lenkungswirkung entfalten. Zum Beispiel durch eine Wiedereinführung des Programms NRW. ZUSCHUSS für selbst genutzten Wohnungsraum. Oder durch die Einführung einer Grundsteuer C zur Mobilisierung ungenutzter Grundstücke und zur Bekämpfung von Grundstücksspekulationen im Sinne des Wohnungsbaus.
Haus & Grund: Die soziale Wohnraumförderung ist ein wichtiger Baustein der Wohnungsmarktpolitik vor allem in NRW. Neben der Eigentumsförderung liegt der Schwerpunkt vor allem im Mietwohnungsbau. Manche Berechtigte bekommen keine Sozialwohnung, weil die Wohnung zu groß sei. Andere wohnen immer noch in der geförderten Wohnung, obwohl sich ihre Einkommen deutlich verbessert haben. Die Fehlbelegungsabgabe ist aber abgeschafft. Wie würden Sie die Wohnraumförderung optimieren?
Stock: Der öffentlich geförderte Wohnungsbau in NRW ist auf dem Abstieg. Und das seit Jahren. In der Zeit seit 2016 ist er mit Blick auf die Wohneinheiten um fast 60 Prozent eingebrochen. Die schwarz-grüne Landesregierung steht vor dem Scherbenhaufen ihrer verfehlten Wohnungsbaupolitik. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Im Zentrum steht dabei ein Sofortprogramm „Bauen jetzt!“ mit einer Vielzahl von Maßnahmen von der Neufassung der Förderrichtlinien für die öffentliche Wohnraumförderung über steuerliche Erleichterungen bis zur Wiedereinführung einer zeitgemäßen Fehlbelegungsabgabe.
Haus & Grund: Sind Sie immer noch für eine landeseigene Entwicklungsgesellschaft? Die Herausforderungen sind doch die gleichen wie bei privaten Wohnungsbaugesellschaften. Schafft man hier nicht unnötig Konkurrenz?
Ott: Kommunale Wohnungsbaugesellschaften sind das Rückgrat von bezahlbarem Wohnraum. Die wollen wir stärken und unterstützen. Es gibt aber viele Kommunen, die haben keine eigenen Wohnungsbaugesellschaften mehr oder ausreichende Ressourcen für den Bau zusätzlicher gemeinwohlorientierter Wohnungen. Eine landeseigene Entwicklungsgesellschaft soll hier vor allem eine Servicefunktion übernehmen, die Kommunen beim Bau unterstützen sowie nutzbaren Wohnraum durch Ankauf von Beständen aus Insolvenzen am Markt halten und diese später wieder gemeinwohlorientiert veräußern.
Haus & Grund: Viele Bauprojekte werden gestoppt. Die Baugenehmigungen brechen ein. Bauunternehmen gehen reihenweise Pleite. Wo müsste man Ihrer Meinung nach ansetzen?
Ott: Ganz akut müssen wir dafür sorgen, dass die wichtigen Akteure der Bauwirtschaft nicht in die Pleite gehen. Dafür muss der Staat einen wirtschaftlichen Impuls geben. Aus unserer Sicht braucht es deshalb das schon erwähnte Sofortprogramm „Bauen jetzt“, das eine Neubau und Sanierungsoffensive auslöst. Und ganz grundsätzlich dauern Planungsrecht und Baugenehmigungen bei uns zu lange. Deswegen ist die Idee vom Bundeskanzler für einen Deutschlandpakt genau richtig, bei dem Planungs- und Baurecht beschleunigt werden soll. Im Bündnis für bezahlbares Wohnen des Bundes sind auch viele Maßnahmen vereinbart worden. Das hat auch Frau Scharrenbach als NRW-Bauministerin unterschrieben. Nur umgesetzt hat sie davon bisher nichts.
Haus & Grund: Die SPD hat sich für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge eingesetzt. Schwarz-Grün führt nun das Beitragserhebungsverbot für Kommunen zum 1. Januar 2024 ein. Sind Sie zufrieden?
Stock: Das hätte man weitaus früher und umfassender haben können, wenn sich die Landesregierung von Anfang an unserem Vorschlag angeschlossen hätte. Leider sorgt der willkürlich gesetzte Stichtag zum 1.1.2018 nun dafür, dass ausgerechnet die Initiatoren einer der erfolgreichsten Volksinitiativen in der Geschichte des Landes in die Röhre gucken müssen. Das ist mehr als bitter für die Betroffenen. Aus unserer Sicht braucht es eine andere Stichtagsregelung, mindestens aber einen Härtefallfonds, wie es ihn in anderen Ländern gibt.
Haus & Grund: Wo setzt Ihre Fraktion zukünftig den Fokus in der Bau- und Wohnungspolitik in NRW?
Stock: Wir haben für uns vier Punkte identifiziert, mit denen wir den Problemen im Baubereich und der Wohnungspolitik entgegenwirken wollen. Das Sofortprogramm „Bauen jetzt“ ist ein Teil davon. Aber auch eine Neuausrichtung der öffentlichen Wohnraumförderung, steuerliche Förderungen zur Überwindung der Krise und mehr Unterstützung der Kommunen gehören dazu.
Ott: Wir müssen uns dem dramatischen Trend fehlender Wohnungen und großer Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt entgegenstemmen. Das hat auch eine Relevanz für gesellschaftlichen Frieden. Dafür brauchen wir die Baubranche, öffentliche und private Vermieterinnen und Vermieter. Das kann nur gemeinsam gelingen.
Haus & Grund: Herr Ott und Frau Stock, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Gespräch führten Präsident Konrad Adenauer, Vizepräsident Dr. Johann Werner Fliescher und Verbandsdirektor Erik Uwe Amaya vom Landesverband Haus & Grund Rheinland Westfalen.
Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.
Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel nach seiner Veröffentlichung nicht mehr aktualisiert wird. Das Veröffentlichungsdatum ist über der Überschrift angegeben.